"Was der Wald uns singt

Eine abenteuerliche Musikreise"


Symbolische und nachzeichnende Bilder zu einigen Kapiteln des Films von Peter P. Pachl und Barrie Gavin [P&G], Hessischer Rundfunk 1999

(Keine Bilder aus dem Film selbst!)


Neben seiner seltenen Ausstrahlung im TV scheint der Film bisher noch nicht auf Trägermedien wie DVD o. ä. angeboten worden zu sein.

Der Film führt uns auf eine dramatische Waldreise der Stimmungen. Für diesen Anspruch unterlegt er Szenen aus Natur und Kultur des Waldes mit jeweils harmonierenden Zitaten und  Einsprengseln aus waldverbundenen Werken der Musik, der Malerei, der Poesie und weiterem mehr. Die vermittelten Impressionen und Symbolismen überstreichen dabei ein Stimmungsspektrum zwischen den hellsten und düstersten Facetten.

Auch wenn der Film den Wald im Allgemeinen zum Thema hat, scheint er über weite Strecken oder sogar größtenteils im Reinhardswald aufgenommen zu sein. Soweit versuchen die unten eingestellten Bildergalerien Spuren des Films nachzugehen. Manche markanten Charaktere lassen sich dabei direkt nachzeichnen, anderes mehr auf symbolische Weise.  


Kurzer Anriss des Inhalts:

Ein stadtgestresster BMW-Fahrer erreicht eine einsame Waldstraße. In seiner längst entfremdeten Weltsicht sieht er allerdings "den Wald vor Bäumen nicht" und versäumt entsprechend auch, das Radio abzustellen. So getrieben gibt er immer weiter Gas, bis er längs des Bergkamms schließlich ein Auto einholt, das er nicht überholen kann. Schimpfend und lichthupend projiziert er seine Wut auf es, bis ihm endgültig der Kragen platzt. Er lenkt in einen Seitenweg und springt hinaus. Draußen reißt er sich Krawatte und Jackett vom Leib, schmeißt alles samt Aktenkoffer in weitem Bogen in die Gegend und rennt befreit in den Wald.

Im Wald beginnt er allmählich zu verstehen und dann auch dem Wald zuzuhören. Er erfährt, was der Wald uns singt, was er uns malt und uns erzählt. Der Erkenntnisprozess wird zwischendurch von kommentierenden Experten aus dem Wald- und Forstfach verdeutlicht, noch viel mehr aber durch Stimmen, Impressionen und Symbolismen aus Musik, Malerei, Poesie und Geschichtsschreibung.

Dabei kommt, wenig überraschend, anfangs gleich Richard Wagner zu Wort: "…Wie nun aber der Besucher des Waldes, wenn er sich, überwältigt durch den allgemeinen Eindruck, zu nachhaltender Sammlung niederlässt, seine vom Druck des Stadtgeräusches befreiten Seelenkräfte zu einer neuen Wahrnehmungsweise spannend, gleichsam mit neuen Sinnen hörend, immer inniger auflauscht, so vernimmt er nun immer deutlicher die unendlich mannigfaltigen im Walde wach werdenden Stimmen." Dieses so ausschweifend zu erklären, hätte Wagner zu seiner Zeit wohl kaum wirklich nötig gehabt. Vielleicht hatte er aber Vorahnungen.

Neben Wagner kommen noch viele weitere künstlerische Waldsprecher zu Wort bzw. zu Ton, darunter auch nicht ganz so prominente, wie Mikalojus Konstantinas Čiurlionis. Dieser ist außerdem auch mit zwei Gemälden vertreten. Für die Malerei ist aber natürlich zuvorderst CD Friedrich mit dabei. Einige CDF-Bilder, wie der Abend, sind so geschickt in den Filmfluss "eingeschmuggelt", dass man sie leicht für einen Teil der realen Waldkulisse halten könnte. Andere wieder, wie der Morgen und der Milleschauer, werden uns über in die Bäume installierte Monitore regelrecht eingetrichtert, angesichts unserer heutigen Zeit wohl nicht ohne Grund.

Mit der Malerei lässt sich leicht eine Überleitung zum Thema der Fabelwesen herstellen, wobei allerdings Arnold Böcklin direkt über ein Wortzitat eingebunden wird: "Die Fabelwesen wenden sich nicht an unser gelehrtes Wissen, sie sind das überzeugte Produkt solcher Naturmomente."  Fabelwesen treten im Film vor allem später noch auf, zum Beispiel indem genau über uns ein Haifisch-Ast sein Maul öffnet. Gleichzeitig zu dieser Szene wabern Sibelius' düstere Anfangstakte von Pohjolas Tochter und beschwört drittens gleichzeitig Tacitus das durch die Urwälder schaurige und durch die Moore hässliche Germanenland. Wir werden mit Grusel aus gleichzeitig drei Dimensionen überschüttet. Diese Strategie, gleiche Stimmung augenblicklich immer wieder vieldimensional zu verstärken, scheint das geniale Markenzeichen des ganzen Films zu sein. – Damit kann der Kurzanriss hier beendet werden. Eine fast vollständige Liste der im Film zitierten Werke ist hier zu finden.

Braun & Rapp [B&R] werteten Was der Wald uns singt schon als außergewöhnliche und höchst anspruchsvolle Produktion, die näher beleuchtet werden sollte. Der Film ist auch hochgradig fordernd. Darüber hinaus geht er unverkennbar auch bis an Grenzen, zum Beispiel fast kritisch nah an den Grat zur Esoterik.


Bildergalerien zu ausgewählten Filmkapiteln

Zu den ersten Stationen des Films gehört die stark naturbezogene Oper Das schlaue Füchslein von Leoš Janaček, in der Menschen und ebenso Tiere Rollen einnehmen. Im Film werden darüber hinaus auch weitere Tiere gezeigt. Wisent, Schwarzwild und andere größere Tiere sind, soweit sie nicht aus Archivaufnahmen stammen, wahrscheinlich im Sababurger Tierpark aufgenommen, Insekten und andere Kleintiere wohl mehr nach Zufall. Die folgende Galerie gibt einige der im Film auftretenden Arten wieder, hier natürlich ausschließlich durch Aufnahmen aus der freien Wald-Wildbahn der Umgebung.


Galerie Das schlaue Füchslein



"Gibt's dort noch Wälder? – Sie sind wild und undurchdringbar, sie sind schwarz und rostbraun, ausschweifend, von Leben wimmelnd, diametral, nachlässig, grausam, inbrünstig und liebenswert, ohne Gestern und Morgen." Unmittelbar nach diesem Zitat des Surrealisten Max Ernst schwenkt der Film auf die geschnabelte Fratzengestalt, die im ersten Bild der anschließenden Galerie zu sehen ist und die so wirkt, als sei sie tatsächlich Ernsts Fantasie entsprungen. Manchmal aber ist das Surreale eben ganz real.   

        

Galerie der surrealen Wesen



Conrad Ferdinand Meyer:

Jetzt rede du!

Du warest mir ein täglich Wanderziel
Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen,
Ich hatte dir geträumten Glücks so viel
Anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen.

Und wieder such ich dich, du dunkler Hort,
Und deines Wipfelmeers gewaltig Rauschen –
Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort!
Verstummt ist Klag und Jubel. Ich will lauschen.

 

 

Richard Wagner:

Siegfried, Waldweben

... Du holdes Vöglein!
Dich hört' ich noch nie:
bist Du im Wald hier daheim? ...


Galerie Waldweben



Engelbert Humperdinck:

Hänsel und Gretel


Hexenhäuschen im Reinhardswald aus dem Film

Hexenhäuschen



Hexenhäuschen im Reinhardswald aus dem Film




Goethe:

Von deutscher Baukunst

"Vermannigfaltige die ungeheure Mauer, … daß sie aufsteige gleich einem hocherhabnen, weitverbreiteten Baume Gottes, der mit tausend Ästen, Millionen Zweigen und Blättern … verkündet die Herrlichkeit seines Herrn, des Meisters."

(Näheres zu Goethes Text auf dieser Seite)


Galerie Baukunst-Bäume-Gleichnis



Hans Pfitzner: 

Die Rose vom Liebesgarten

Waldes Rauschen weit und wogend,
grüner Wipfel, schwankes Meer,
drüber ziehen Wolken her.
Drunten rufen feine Stimmen,
Sonnenpfeile glänzen, glimmen. ...


Galerie Rose vom Liebesgarten



Mit Tacitus zurück zum germanischen Urwald:

Germania

"Das Land ist im Ganzen schaurig durch seine Urwälder oder häßlich durch seine Moore." 

(Näheres zu dieser Randbemerkung aus der Germania auf dieser Seite)


Galerie Germania



Max Ernst:

Was ist ein Wald?

"Gemischte Gefühle, als er* zum ersten Mal den Wald betritt, Entzücken und Bedrückung. Und das, was die Romantiker »Naturgefühl« getauft haben. Die wunderbare Lust, frei zu atmen im offenen Raum, doch gleichzeitig die Beklemmung, ringsum von feindlichen** Bäumen eingekerkert zu sein. Draußen und drinnen zugleich, frei und gefangen. Wer soll das Rätsel lösen?"

*Max Ernst spricht von sich in der dritten Person.
**im Film lautet es: von freundlichen Bäumen
Weiteres zu Max Ernst auf dieser Seite


Galerie Was ist ein Wald?



Lotte Ingrisch:

"Die Kobolde weinen. … Wir machen nicht nur die Wälder, sondern auch die Geister, die in den Wäldern wohnen, krank."



Wolfgang Fortner:

Bluthochzeit

Die Bilder in dieser Filmepisode scheinen wesentlich noch dasjenige Waldsterben zu illustrieren, welches seinerzeit durch den »Sauren Regen« verursacht war, und sie zeigen im Konkreten möglicherweise das Erzgebirge oder den Bayerischen Wald. Insofern ist dieses Kapitel nicht aus dem Reinhardswald nachzuzeichnen. Angesichts der aktuellen Situation müssen von hier nun aber alternative Bilder des Grauens einfließen.


Galerie Bluthochzeit 

* Zum letzten Galeriebild siehe insbesondere hier unter Caspar David Friedrich. 



Galerie Wirklicher Wald

(Komposition: Arne Nordheim)



Galerie Im Wald 

(Komposition: Mikalojus Konstantinas Čiurlionis)



Galerie O vos felices radices

(Komposition: Hildegard von Bingen)



Novalis:

Es färbte sich die Wiese grün

Ich weiß nicht, wie mir geschah,
und wie das wurde, was ich sah.


Filmende