Themen



Schatzhaus Reinhardswald:


Die Sukzessions-Gewässer auf dem südlichen Plateau



Folgelandschaft der Sturmwürfe aus den 1970er Jahren auf dem südlichen Reinhardswald-Plateau


Das Titelbild könnte vielleicht an nordische Taiga-Landschaften denken lassen, es entstand aber 1990 auf dem südlichen Plateau des Reinhardswaldes. Noch lange nach den schweren Sturmwürfen der 1970er Jahre herrschte hier oben ein Szenario "unendlicher" Weiten. Das Bild zeigt davon nur einen kleinen Ausschnitt nahe der Faulen Brache, doch Kilometer um Kilometer entlang der Kammstraße setzten sich die Bilder in gleicher Weise fort.

In den offenen Weiten wurden nach und nach kleine Teiche angelegt – bis heute, Stand 2022, sind es an die 25 geworden. Da der in der ersten Zeit noch nicht effektiv rauchgasentschwefelte Regen mit pH3,5 auftraf, zeigte auf dem pufferschwachen Buntsandstein auch das Teichwasser vielfach diesen hohen Säuregrad. Ein Spektrum zwischen starken und mittleren Säuregraden ist auch bis heute die Regel, schwächer oder gar neutral ist die Ausnahme. Die Teiche entwickelten fast alle eine mittlere bis starke Dystrophie, kenntlich an dem durch gelöste Huminstoffe typisch braun bis schwarz getönten Wasser.

Diese Gewässer-Kategorie soll hier in ein paar Beispielen vorgestellt werden, wobei der erste Bildkasten noch einmal die letzten beiden Bilder aus der Seite Stillgewässer übernimmt. Diese zeigen den zweiten der angelegten Teiche im Alter von 6 und von 22 Jahren, wobei die im Hintergrund aufwachsenden Jungfichten die 50km-Fernsicht des ersten Bildes allmählich zudeckten. Das dritte Foto, wieder aus der Frühzeit des Teichs, blickt zwischen den flutenden Massen der Zwiebel-Binse (Juncus bulbosus) hindurch durch das tief braune, aber klare Wasser auf den Teichgrund, der seinerzeit von einem fast lückenlosen Torfmoos-Teppich bedeckt war:

Der zweite Plateau-Teich (Faule Brache I), 1989 im Alter von 6 Jahren

1989

Der zweite Plateau-Teich (Faule Brache I), 2005 im Alter von 22 Jahren

2005

Torfmoos-Teppich auf dem Grund des Teichs Faule Brache I

1990


Der Torfmoos-Teppich reichte sogar bis in die größte Tiefe von 1,2m. Die dazu nötige Klarheit des Braunwassers schien dann in späteren Zeiten nie mehr erreicht zu werden, und vom Torfmoos-Teppich blieb allmählich nur noch der Saum am Teichrand. Ebenso schwächte sich der Säuregrad ab, von anfangs pH3,5 um bislang mindestens eine Einheit. Und, wahrscheinlich parallel, ging auch die dunkle Wassertönung zurück und scheint bis heute noch weiter zurückzugehen. Was aber ganz besonders ins Auge fiel und nun hier auch besonders herauszustellen ist, das ist der in den 1990er Jahren deutlich einsetzende Rückgang der bis dahin auffälligen Massenbesiedlung durch die Libellen.

Die Massenentfaltung bestimmter Organismen ist ganz allgemein ein häufiges Phänomen in der frühen Entwicklung (frühen Sukzession) von Lebensräumen, zum Beispiel weil Konkurrenten zunächst noch fehlen. Hier bei den Gewässern auf dem Hochplateau kommt als zweiter Faktor die Dystrophie hinzu, sprich der Säure- bzw. Moorcharakter, der moorliebende (tyrphophile) Arten fördert und viele andere unterdrückt. So gesehen sind die besagten Massenentwicklungen keineswegs überraschend gewesen. Sondern bemerkenswerter ist vielleicht, dass es vor der Anlage der Teiche hier oben mit Ausnahme einiger kleiner anmooriger Schlenken überhaupt keine Stillgewässer gegeben hat, also auch keine Libellen, Amphibien, geschweige Fische, wobei letztere bei den hiesigen Säuregraden ohnehin nicht existieren könnten. Die hoch mobilen Libellen gehörten dann zu den ersten auffallenden Siedlern, neben einigen weiteren, wie etwa den Wasserwanzen, darunter die auffällige Stabwanze (Ranatra linearis). Lurche dagegen fanden sich erst verzögert ein, und die Säure ließ ihren Laich immer wieder weitgehend verschimmeln. Nennenswert vertreten sind unter den Amphibien hier eigentlich nur Berg- und Fadenmolch sowie, worauf später noch zurückzukommen sein wird, die Grünfrösche. 

Die Zwiebel-Binse ist charakteristisch für die Säure- und Moorgewässer.

Rasen der Zwiebel-Binse

Das saure Milieu lässt Froschlaich meist verschimmeln.

schimmelnder Froschlaich

Die Stabwanze ist oft im flutenden Gewirr der Zwiebel-Binse zu finden.

Stabwanze


Zu den Libellenarten, die an den Massenentwicklungen beteiligt waren bzw. sind, gehören insbesondere die moorliebenden Spezies Torf-Mosaikjungfer, Kleine Moosjungfer, Schwarze Heidelibelle und zum Teil auch die Speer-Azurjungfer, andererseits aber auch Allerwelts-Arten wie die Blaugrüne Mosaikjungfer, der Vierfleck, die Gemeine Smaragdlibelle, die Frühe Adonislibelle, die Hufeisen-Azurjungfer und weitere. Um herauszufinden, wie groß die Massen, sprich die Populationen, objektiv eigentlich waren, wurden an bestimmten Gewässern die Exuvien der pro Saison geschlüpften Libellen abgesammelt und gezählt oder repräsentativ abgesammelt und hochgezählt. Der folgende Kasten gibt davon eine kleine Illustration, oben für die Torf-Mosaikjungfer, unten die Kleine Moosjungfer: 

Frisch geschlüpfte Torf-Mosaikjungfer, an ihrer Exuvie festkrallend

 Libelle auf ihrer Exuvie

Frische Torf-Mosaikjungfer und ihre Exuvie

Libelle mit ihrer Exuvie

Zählergebnis an einem Teich: 2227 Exuvien der Torf-Mosaikjungfer

ein lokales Ergebnis

Kleine Moosjungfer, von der Exuvie herabgeklettert, um auf Abflugwetter zu warten

Libelle mit ihrer Exuvie

4 Exuvien der Kleinen Moosjungfer und eine wartende Imago

4 Exuvien und Libelle

Schlupfgemeinschaft der Kleinen Moosjungfer

Schlupf-Szenerie


Das erste und größte Gewässer auf dem Plateau war gleich noch in den 1970er Jahren nahe dem Pionierdenkmal unter dem Junkernkopf entstanden. Es wird von leichtem Durchfluss gespeist (und weicht limnologisch von den übrigen dystrophen Teichen etwas mehr in Richtung Mesotrophie ab.) Die folgenden Bilder nehmen vom Westdamm aus jeweils etwa denselben Blickwinkel ein und weisen auf die heute schon lange weit fortgeschrittene Uferbeschattung hin:

Teich über dem Pionierdenkmal, Ansicht 1986

1986

Teich über dem Pionierdenkmal, Ansicht 2008

2008

Teich über dem Pionierdenkmal, Ansicht 2021

2021


Der dritte aus dieser Folge namenloser Teiche, die vom Forst bestenfalls unter ihrer Abteilungsnummer geführt werden, entpuppte sich sofort als der faszinierendste und wird hier nun etwas breiter besprochen. Gemäß seiner irgendwie zum aktuellen Zeitgeschehen passenden bizarren Szenerie gaben ihm seine Insektenerfasser den Arbeitsnamen "Tschernobyl-Teich". Um im folgenden Kasten seine Sukzession zu verdeutlichen, blicken die sechs chronologischen Zeitbilder alle etwa gleichgerichtet hinten auf seine Süd-Ecke mit dem Südwest-Damm jeweils rechts. Sie erklären auch anschaulich, warum sich gegen den ersten Arbeitsnamen allmählich die Alternative "Schwarzer Teich" durchsetzte, obwohl die massenhaften Maronenröhrlinge der umgebenden Fichtenbestände mit ihrem akkumulierten, strahlenden Cäsium-137 weiterhin den alten Namen gerechtfertigt hätten.

März 1988

Juli 1989

Juli 1997

Juni 2005

Mai 2008

März 2022


Das letzte Bild des Kastens zeigt bereits die Situation nach Abräumung der Fichten nach den verheerenden Trocken- und Borkenkäferjahren 2018 bis 2020. Mancherorts auf dem Plateau erinnert die Situation nun fast schon wieder an das Szenario des Titelbildes. Bis genau vor dem Fall der Fichten hatte der Teich die Phase seiner jemals größten Abschattung erreicht gehabt. Aus dieser Zeit stammt das erste Bild des folgenden Kastens, mit Blick hinten auf den Südwest-Damm und auf teils auch dort schon absterbende Fichten.

Der

2019

2020 liegt der

2020

Von der Optik her fast wie ein Moorkolk: der

2020


Abgesehen von den Uferbirken, die man nicht mit abholzen wollte, liegt der Teich nach der großflächigen Abräumung nun so stark offen wie selbst während seiner Anfangszeit nicht. Erstmals seit seinem Bestehen wird er damit auch vom 250 Meter entfernten Forstweg aus leicht einsehbar. Vor allem wird die neue Offenlage ihn aber wieder attraktiv machen für Besiedler, die durch die starke Abschattung schon beeinträchtigt oder vielleicht ganz verschwunden waren.

Dazu zählt zum Beispiel die Nordische Moosjungfer. Sie hatte sich auf dem Plateau mindestens von Mitte der 1980er bis Mitte der 1990er Jahre kontinuierlich in kleiner Population entwickelt, und ihr Auffinden für Hessen war mindestens bemerkenswert. Sie unter der hundert- bis tausendfachen Überzahl der Kleinen Moosjungfer herauszufinden, ist diffizil, und das gilt erst recht für die Exuvien, die sich in manchen Fällen gar nicht in die Arten trennen lassen. Aber auf Bestimmungsfragen kann diese Seite generell nicht eingehen, doch wegen der Brisanz in diesem Fall sei hier ausnahmsweise wenigstens unkommentiert ein Bildkasten zu diesem Thema eingeschoben.   

Die Männchen der Nordischen Moosjungfer tragen ein rotes Flügelmal (Schwarzer T,, 1988)

Nordische Moosjungfer

Männchen der Nordischen Moosjungfer, eine Aufnahme aus dem Solling

Nordische Moosjungfer

Exuvien-Bauchseiten der Nordischen (oben) und der Kleinen Moosjungfer (unten)

Exuvien beider Arten

Männchen der Kleinen Moosjungfer in Frontalaufnahme am Schwarzen Teich

Kleine Moosjungfer

Männchen der Kleinen Moosjungfer auf Ansitzwarte (Schwarzer Teich)

Kleine Moosjungfer

Oben Exuvien der Nordischen, unten der Kleinen Moosjungfer. Gezeigt ist die Bauchseite, deren dunkle Zeichnungen bei der Nordischen M. breiter verwaschen sind. 


Zu den ökologischen Ansprüchen der Nordischen Moosjungfer zählt Offenlage des Lebensraums. Daher könnten Gründe für ihr späteres Verschwinden in dem zunehmendem Zuwachsen dieses Teichs und des Teichs Nr.1 liegen, oder überhaupt darin, dass die offenen Weiten des Plateaus insgesamt ohnehin nur ein temporärer Zustand waren. Tatsächlich liegen die natürlichen Hauptvorkommen der Libelle in den ausgedehnten, offenen norddeutschen Moorgebieten, während die Art in der hiesigen Mittelgebirgsregion vielleicht nie natürliche Vorkommen hatte.

Insoweit wären es eher unnatürliche Szenarien, die hier erörtert werden, zumal auch die betreffenden Gewässer künstlichen Ursprungs sind – und übrigens nicht nur diese, sondern bis auf ein oder zwei Ausnahmen auch alle Stillgewässer im Reinhardswald. Doch sollen solche "Gewissensbisse" hier nun nicht breiter verfolgt werden. Sie hießen im Prinzip, die Nordische Moosjungfer ganz aus der Diskussion zu nehmen, dann allerdings konsequenterweise zum Beispiel genau so auch die Große Moosjungfer, für die andererseits das Land Hessen sogar ein offizielles Programm zu ihrer zielgerichteten Förderung und Beobachtung verfolgt (Hessen-Forst Fena (2012) [HessFF.12]. Die Große Moosjungfer ist in unserer Region hauptsächlich eine Invasionsart, die zeitweise durchaus auch auf das Plateau einfliegt, dabei auch an diesen Teich, und die sich hier auch mehrfach schon episodisch entwickelt hat. Es scheint, dass solche Episoden mit der Klimaerwärmung zunehmen und irgendwann zu einer dauerhaften Ansiedlung der Art führen könnten. Auf die Nordische Moosjungfer dagegen wäre eher eine entgegengerichtete Wirkung der Klimaerwärmung anzunehmen.   

Der freigelegte

Nebenstehend noch einmal die Perspektive auf den nach nun 33 Jahren wieder freiliegenden Schwarzen Teich: Denkt man sich die Umkränzung durch die Uferbirken weg, erinnert das Bild rein optisch fast an die typischen Kolke der Mittelgebirgs-Hochmoore.

Einen ungefähr ähnlichen Eindruck vermittelte der Teich auch schon in seinem noch schattenfreien Anfangszustand, nur dass es damals der frisch aufgeschüttete Sandstein-Damm war, der weggedacht werden musste. Andererseits waren gegenüberliegend am bergseitigen Ufer eine Zeitlang noch die schwarzen Anschnitte der vorhandenen Torfschicht zu sehen, und es lagen Torfballen herum, die sich als Nebenprodukte der maschinellen Wühlarbeiten aufgetürmt hatten. All das wurde dann bald vom Torfmoos-Teppich überwachsen. Es zeigte aber, dass die Torfauflage weitaus dicker war als die in der Literatur angegebenen 15cm. Stellenweise konnten die Beine oberschenkeltief einsinken.

Blick bergwärts auf das Torfufer des ein Jahr alten Schwarzen Teichs

Blick bergwärts auf das Torf-Ufer des ein Jahr alten "Schwarzen Teichs". Noch ist stellenweise das Schwarz der angeschnittenen Torfschicht sichtbar.


Obwohl noch Bonnemann (1984) [Bonn.84] merkliche Vorkommen von Moor im Reinhardswald in Abrede gestellt hatte, fühlten sich angesichts der hier ganz offenbaren Moor-Szenerie nun Libellenfaunisten besonders auf den Plan gerufen. Im Geiste war über diesem schwarzen Loch, das in einem Schwamm von Torfmoos lag, schon die für Hochmoor-Kolke typische Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica) flattern zu sehen, so dass der Teich jedenfalls nicht mehr aus den Augen gelassen werden durfte und zukünftig dicht zu kontrollieren war.

Für eine Besiedlung hätte diese extrem spezialisierte Libelle bis heute (2022) nun 35 Jahre Zeit gehabt, doch kommt sie auch in der Region sonst nicht vor, und selbst aus dem Roten Moor in der Rhön soll sie irgendwann verschwunden sein. Sicherlich würde sie es auch aus dem Harz hierher schaffen können, doch trifft es wahrscheinlich zu, dass sie nur echte Hochmoorgewässer besiedelt, und von daher ist die Einbettung des Teichs in den Mineralboden möglicherweise ein Ausschluss-Kriterium. Andere erfasste Parameter, wie etwa pH und Gesamthärte, unterschieden sich aber von denen der Hochmoore kaum.

Natürlich war auch die nähere Umgebung nach der Libelle abzusuchen, bzw. war überhaupt nach natürlichen Wasserstellen zu suchen. Im Bild größtenteils verdeckt von der Fichtengruppe, fanden sich im Bereich darüber tatsächlich viele weitere nasse Schlenken im Torfmoos-Teppich, so dass hier prinzipiell auch tyrphophile Smaragdlibellen hätten erwartet werden dürfen. Doch fand sich wenigstens die Frühe Adonislibelle, aber parallel an denselben Schlenken meistens auch junge Fichten und viel stehendes und liegendes Bruchholz. Die aufrechten Fichtenskelette erzeugten eine fast gespenstische Aura, und die Eignung für die Arktische Smaragdlibelle (Somatochlora arctica) schien damit schon eher kritisch. Vergewisserung im Schwarzwald, im Oberpfälzer Wald und schließlich auch im nahen Solling zeigte, dass jedenfalls die Größe der Schlenken hinreichend war und dass auch die Hanglage und die Durchströmung keine Gegenargumente wären. Mit diesen Bedingungen sollte nun heute 33 Jahre später mit der kompletten Abräumung der Fichten die Arktische Smaragdlibelle ernsthafter als je erwartet werden dürfen. Vielleicht schafft sie den "Katzensprung" vom Solling herüber, doch ihr Vorkommen dort ist nicht gerade groß. Wahrscheinlicher ist der Kleine Blaupfeil zu erwarten, er befindet sich ohnehin längst im Reinhardswald. Dies und Aspekte des Moores an sich werden demnächst Sache einer neuen Themenseite "Moore" sein.

Weitaus größer als alle Schlenken, liegt direkt in der Schneise des Rückewegs, dem bequemsten Zugang zum Teich, ein auffälliger Quelltümpel, der den Teich über ein mooriges Rinnsal speist. Er ist möglicherweise natürlichen Ursprungs und hätte rein prinzipiell vielleicht den Ansprüchen der Hochmoor-Mosaikjungfer genügen können. Er war aber ohnehin immer wieder offenbar von Forstfahrzeugen zerfahren worden, zeigte allerdings hinreichende Dynamik, um sich immer wieder allmählich neu auszuformen. Seine Stelle befindet sich am linken Bildrand zwischen der Birke und dem älteren Fichtenbestand darüber. Sie ist wohl auch der letzte Ort in dem Moor, wohin sich das Scheidige Wollgras (Eriophorum vaginatum) zurückgezogen hatte, nachdem es durch zunehmende Abschattung wahrscheinlich aus der Kernfläche längst verdrängt war. Das Schmalblättrige Wollgras (Eriophorum angustifolium) dagegen hat sich bis heute nicht vollends verdrängen lassen, sondern taucht sporadisch wechselweise an immer wieder anderen Stellen um den Teich auf. Der ebenso sporadische Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) war anfangs einmal sogar direkt auf dem Damm zu finden gewesen. 2012 oder '13 fand ihn Schumann (2013) noch in der Bruchfläche, wie seinem Stimmungsbericht über das Federbruch [Schum.13] zu entnehmen ist. Darin skizziert er auch das gesamte Umfeld rund um das Moor, ohne aber den Teich auch nur zu erwähnen. Solange die Fichten noch die Sicht verstellten, war das zur Vermeidung von zu viel Öffentlichkeit vielleicht auch ratsam. In dem stillen Konsens achteten auch die Libellenerfasser  stets darauf, dass dieses Kleinod ein Geheimtipp blieb, und ließen Sukzessionsbilder wie die des obigen Sechserkastens bis nun in der Schublade.

Umgekehrt verschweigt die amtliche topografische Karte, und dies auch in ihren jüngsten Auflagen mit dem verzeichneten Teich, den Namen des Moores; dieser blieb auch hier bis soeben ausgespart – aber eben nur der Name. Einen Schritt weiter gehen da Schmidt et al. (2020) [Schm.&al.20], die das Federbruch als solches nun eine "Wiederentdeckung" nennen, es als Niedermoor einstufen. Vor allem waren sie es auch, die seine nunmehrige Freiräumung und Renaturierung initiiert haben. Ansonsten waren seit Anlage des Teichs bescheidenere, ähnlich gerichtete Anregungen beim Forst eher auf wenig Interesse gestoßen, und auch Pix & Bachmann (1989) [P&B] hatten dann schließlich darauf verzichtet, den frischen Teich und seinen Quelltümpel abzubilden. Als alternativer Ersatz wurde das oben im ersten Kasten gezeigte Foto des Teichs Nr.2 gemacht. Heute im Digitalzeitalter wird aber kaum noch realisiert, dass damals jeder Fotoschuss auch eine finanzielle Überlegung war.

 Durch die forstliche Notlage in der "finalen Phase" der Fichten (Rapp 2019) [Rapp19] und auch für die Renaturierung des Moores war schließlich das Abholzen der Koniferen erforderlich geworden, während die Birken – darunter Moor- und Karpatenbirken – stehen bleiben durften. Eine ökologisch ganzheitlichere Sicht schlösse aber auch die Birken mit ein, wenigstens diejenigen rund um den Teich (vgl. Pix 2010, [Px.10]). Eine Vorstellung davon, wie die Landschaft ohne den verhüllenden Birkenkranz aussähe, lässt sich durch ein Bild aus der laublosen Jahreszeit annähern. Es ergibt sich die umwerfende Vision einer Landschaft, wie sie sonst nur weit von hier von Moorweiten baumloser Hochmoore her bekannt ist:


Dieses Bild einer Landschaft mit Moorweite und Moorauge wäre für unsere Region und noch weit darüber hinaus einzigartig, sowohl in der objektiven Substanz als auch in der melancholisch morbiden Ästhetik. Die Szene sucht ihresgleichen, ob im Solling, im Kiffing, im Bramwald, im Kaufunger Wald, der Söhre oder im Riedforst. Nicht einmal das Mecklenbruch im Solling präsentiert ein so plakatives Moorauge, sondern vielleicht erst der ferne Harz oder das Schwarze Moor in der Rhön. Selbst Caspar David Friedrich würde sich überlegen, ob er statt bis nach Böhmen lieber hierher käme!

Aber um wieder auf den objektiv-ökologischen Boden herunterzukommen: An der quantitativen Moorsubstanz gemessen wäre selbstverständlich selbst auch nach einer geglückten Regeneration des Federbruchs kein Vergleich mit den Mooren des Sollings oder des Burgwalds gegeben. Und wenigstens solche Maßstäbe dürften es wohl gewesen sein, die Bonnemann (1984) zu seiner erwähnten Ansicht über Moore im Reinhardswald gebracht hatten. 

Doch so unwirklich die Bild-Szene auch wirkt, sie ist echt. Sie ist im Winter '22 aufgenommen, und zwar von etwa derselben Stelle aus, von der wahrscheinlich auch Günther Schumann(†) in seinem erwähnten Stimmungsbericht blickt. Dass das vermeintliche Moorauge in Wahrheit ein Artefakt ist, bleibt für das landschaftliche Erlebnis vergleichsweise unbedeutend. Ob, wann und wie weit nun die Wiedervernässung des Moores greifen wird und ob sich dann dieses Bild irgendwann von selbst wird erhalten können, kann derzeit niemand wissen. Bis dahin werden pflegende Maßnahmen ohnehin noch erforderlich sein.

Die nun erstmalige Einsehbarkeit vom Weg aus ist die andere Seite der Medaille und könnte nicht nur Vorteile haben. Schumann erwähnte den Teich nicht und manches nicht, doch die modernen öffentlichen Satellitenbilder und anderes tun heute das Ihre. Darüber hinaus bleibt zu hoffen, dass nicht auch hier wieder der Naturpark so manches relativiert, und ferner, dass die im Hintergrund der Szene sichtbaren Fichten überleben werden, da sie sonst den Blick freigeben könnten auf das westliche Vorland mit seinen Windrädern. Es wäre dann die ganze Landschafts-Illusion dahin, bzw. das was uns CDF, die romantischen Impressionisten oder ein modernes Geniewerk wie dieses vermitteln wollten und was hier im Augenblick so nahe ist.  

Auch mit dem vierten der in dieser Reihe entstandenen Gewässer wird nun das Thema Moor noch nicht ganz verlassen. Es entstand, erstmals in deutlich kleinerer Dimensionierung, 1989 auf der anmoorigen Eichkanzel. Die frische Grabung im Nordabschnitt der Fläche ist im ersten Bild des folgenden Kastens gezeigt. Dabei handelte sich eher um eine Art Probegrabung, und sie ist inzwischen längst wieder quasi spurlos verschwunden. In der Zwischenzeit wurde die Eichkanzel zum NSG erhoben, und es folgte ein länger bestehender Konsens, hier keine Gewässer anzulegen. Auf der Eichkanzel kommen, über die für das Federbruch genannten Arten hinaus, noch weitere Moorpflanzen vor.

Erste Gewässergrabung auf der Eichkanzel

Erste Grabung Eichkanzel

Gewässer II der Eichkanzel, weit mit Torfmoos und Wollgras verlandet

Eichkanzel II

Gewässer III und V der Eichkanzel

Eichkanzel III und V


Erst deutlich nach der Jahrtausendwende setzte im NSG Eichkanzel erneut eine Phase des Gewässerbaus ein. Das zweite hier entstandene Gewässer ist sehr flach und begann schnell zu verlanden, der Bildkasten zeigt eine Phase seiner Sukzession mit viel Schmalblättrigem Wollgras. Ferner sind die Gewässer Eichkanzel-III und V zu sehen, 2022 war die Zahl der Gewässer hier auf sieben angewachsen.

Von den inzwischen mehr als 25 auf dem Plateau angelegten Gewässern sind folgend noch ein paar Bildbeispiele gezeigt: 


Das erste der sechs Bilder zeigt das fünfte Plateau-Gewässer 2014 im Alter von etwas über 20 Jahren. Alle übrigen in diesem Kasten gezeigten Gewässer sind erst im neuen Jahrtausend entstanden. Im letzten Bild handelt es dabei sich um eine kleine Gruppe von Staugewässern im Quellgebiet eines kleinen Rinnsals. Sie unterscheiden sich daher in mancher Weise deutlich von den bisherigen Beispielen. Der sumpfige Rieselhorizont kommt den Ansprüchen des Kleinen Blaupfeils entgegen, der sich auch tatsächlich angesiedelt hat und hier nun in kleiner Population bislang fortbesteht.

Die im Bild-Hintergrund sichtbare Baumpflanzung dürfte den zuträglichen Licht-Bedingungen aber vermutlich irgendwann ein Ende setzen. In diesem Fall wird die Verdunklung des Gewässers bewusst herbeigeführt. In vielen anderen Fällen wird sie wohl eher beiläufig in Kauf genommen – der genannte Schwarze Teich war ein Beispiel, bis die Fichtenverheerung ihn befreite, so makaber das klingt. Die Verdunkelung von Kleingewässern führt oft zum Verschwinden der großen Raubinsekten und folglich dann häufig zur Massenproduktion von Mücken.

Daraus, dass in der Sukzession der frühen Teichanlagen hier auf dem Plateau auffällige Massenentwicklungen von Libellen aufgetreten waren, kann nicht auf Entsprechendes auch bei den späteren und eventuell noch zukünftigen Gewässer-Anlagen geschlossen werden. Dies zeigt sich einerseits bereits konkret an den jüngeren Beispielen. Es lässt sich aber auch weitgehend erklären und somit prognostizieren, da zumindest einzelne Stränge in dem komplexen Netzwerk aus ökologischen Wechselwirkungen durchaus durchschaut werden können. So besteht ein Unterschied zu den frühen Bedingungen auf dem Plateau heute zum Beispiel in der hohen Dichte an Grünfröschen, die anfangs hier überhaupt nicht vorkamen, da es keine Gewässer gab. An manchen Teichen haben die Frösche bis heute sogar Massenbestände entwickelt, wie im Bild1 des folgenden Kastens. Dies gilt vor allem für die weniger sauren Gewässer.

Früher im Gebiet nicht vorkommend: Grünfrosch-Massen

Grünfrosch-Konzert

Teich über dem Pionierdenkmal: 2005 massiger Rohrkolben-Bestand

2005: viel Rohrkolben

Teich über dem Pionierdenkmal: 1986 kaum Rohrkolben, dafür mehr Binsen

1986: kaum Rohrkolben


Jeder neue Bau eines Teichs hat daher heute die sofortige Besiedlung durch Frösche zur Folge. Deren Gesamtpopulation und damit ihre Dichte im Gebiet wird so mit jedem neuen Gewässer größer. In negativer Sicht wäre von einem Teufelskreis zu reden, ansonsten systemisch objektiv von einer positiven Rückkopplung. Faktisch bilden auf dem Plateau jetzt die Frösche die Endglieder in der amphibischen Nahrungskette. Sie haben damit die Rolle übernommen, die anfangs hier den großen Raubinsekten zukam, vor allem den Wasserwanzen und Libellen. Insbesondere ist damit die anfängliche "»Alleinherrscherin« auf dem Plateau" gestürzt worden, wie die Torf-Mosaikjungfer etwas überspitzt hier genannt werden konnte (Pix 2021) [Px.21]. So ließe sich nun über die Formel nachdenken: Je mehr Teiche, desto weniger Libellen...

Für die Torf-Mosaikjungfer ist auf dem Plateau mit der Zeit zudem auch eine neue Konkurrentin aufgetaucht, die unter den Libellen der frühen Jahre noch kaum vertreten war: die Große Königslibelle, hier oben nun die dritte Edellibelle. Es sind vor allem zwei Faktoren denkbar, die der Königslibelle zugespielt haben dürften: einerseits der Klimawandel und andererseits die pflanzliche Sukzession der Gewässer. So ist im obigen Bildkasten am Teich über dem Pionierdenkmal 2005 bereits ein Massenbestand an Rohrkolben (Typha latifolium) zu sehen, während das 1986 vom gegenüber liegenden Ufer aus aufgenommene Foto nur geringe Anfangsbestände des Rohrkolbens zeigt. Generell nehmen die Weibchen der Königslibelle für die Eiablage besonders gern die auf dem Wasser schwimmenden Rohrkolbenreste an, die Weibchen der Torf-Mosaikjungfer dagegen vorzugsweise aufrechte Binsentriebe.

***

Bisher ist noch nichts über den Sinn und Zweck der Gewässeranlagen gesagt worden. Vor allem in der Anfangszeit wurden auf Nachfragen oft Feuerlöschzwecke oder Wildtränke angegeben, doch überspitzt gesagt, gab es eigentlich so viele verschiedene Antworten wie Nachfragen. Dem in den letzten Jahren fortgesetzten Gewässerbau scheint als Intention nun auch die schon oben diskutierte Förderung der Großen Moosjungfer beigemischt zu sein.

insgesamt darf vielleicht auch von einer Modeerscheinung gesprochen werden, und sie ist keineswegs auf das Gebiet oder die Region beschränkt. Ähnliche Gewässer wurden zum Beispiel auch im benachbarten Solling angelegt, dort aber zudem in ungleich größerem Umfang.


Dieser Bericht wird noch erweitert und wird dann auch auf kritische Folgen des Teichbaus eingehen.




Danksagung und Weiteres

Über die Danksagung im Impressum hinaus sei für diese Themenseite noch einmal besonders hervorgehoben, dass die hier betreffenden Gewässer alle oder fast alle innerhalb des ausgewiesenen Wildschutzgebietes liegen, welches das allgemeine Betretungsrecht einschränkt. Insofern wurden Ausnahmegenehmigungen erforderlich, die vor der auf die Landesstellen übergegangenen Zuständigkeit zunächst durch die Forstämter Gahrenberg und Reinhardshagen erteilt wurden. Allen gilt unser Dank.

Von später auch im Rahmen der hessischen Libellenerfassung erteilten Fahrgenehmigungen wurde nur in sehr seltenen Ausnahmen Gebrauch gemacht. Denn von der Anreise abgesehen, stellt das konventionelle Rad für diesen Zweck das mit Abstand effizienteste Mittel dar.  

Die ganz zu Beginn seitens des Forstes vor allem in Bezug auf Veröffentlichung von Erfassungsergebnissen zuweilen geäußerte Befürchtung, es könne zu einem Zustrom faunistischen Interesses auf das sensible Gebiet kommen, erfüllte sich erwartungsgemäß nicht. Nichtsdestotrotz sind entsprechende Vorbehalte, auch allgemeinere, nicht nur nachvollziehbar, sondern bewegen unabhängig davon auch uns selbst. In diesem Sinn sind besonders die obigen Ausführungen zum Thema Fotoveröffentlichung im Abschnitt Schwarzer Teich und Federbruch zu verstehen. Darauf soll hier hingewiesen sein, da die Landschaft des Plateaus nun nach der Fichtenverheerung mit ganz anderem Auge gesehen werden wird als vorher, und insbesondere ortsunkundige Besucher keine Vergleichsvorstellungen haben können.